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Alle, die bei dem Erlebnistag dabei waren, stehen vor einer Scheune und lächeln für das Gruppenfoto in die Kamera.

Bauernhof mit allen Sinnen

Erlebnistag auf dem Bauernhof von MSD und üOBA im Juli 2023 in Oberthulba

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Bauernhof mit allen Sinnen

"Ich kann es ja doch!" - Alina lacht und geht mutig über die Slackline, die Fabian Horn über dem kleinen Bach am Waldrand befestigt hat. Kurz zuvor sah es noch nicht so aus, als würde sich die Achtjährige trauen, über das Gewässer zu balancieren.
Die Seilbrücke über den Bach ist nicht das einzige Highlight des Erlebnistages am 15. Juli 2023 in der Rhön. Der Erlebnistag ist ein Angebot für Schülerinnen und Schüler sowie für junge Erwachsene mit Sehbehinderung oder Blindheit, die in Unterfranken inklusiv beschult werden oder sich im Übergang von der Schule in den Beruf befinden.
In der inklusiven Beschulung müssen sich die Kinder und Jugendlichen oft zum Thema Sehen erklären, rechtfertigen oder manchmal auch darum kämpfen, dass ihre besonderen Bedürfnisse wahrgenommen werden, da sie niemanden im direkten Umfeld haben, der oder die selbst betroffen ist. In der Gruppe besteht eine gemeinsame Basis und damit ein gegenseitiges Verständnis – und der Raum, um entspannt über das Sehen, eigene Erfahrungen und Strategien sprechen zu können, wenn man das möchte. Zudem bietet sich für die Teilnehmenden mit Sehbehinderung oder Blindheit die Gelegenheit, verschiedene Aktionen mit oder ohne Unterstützung auszuprobieren und sich an Neues heranzuwagen. 
An diesem Erlebnistag wird die Gruppe am Morgen auf dem Bauernhof der Familie Wagenbrenner herzlich von Emil (12) und seiner Mutter empfangen. Emil ist ein Schüler, der vom MSD Sehen begleitet wird. Er freut sich sehr, dass er heute der Gruppe sein Zuhause zeigen kann.
Bei strahlendem Sonnenschein und über 30°C freuen sich alle über die Getränke, die Frau Wagenbrenner bereitgestellt hat. In der Begrüßungsrunde lernen sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen kennen, die zum ersten Mal an einem Erlebnistag dabei sind. Auf Anregung von Fabian Horn erzählen bei der Vorstellung alle ganz selbstverständlich, wie gut sie sehen können, ob sie gerne mit jemandem zusammen laufen möchten oder ob sie Hilfe anbieten können. "Ich müsste bitte alles erklärt bekommen, da ich blind bin", äußert sich Ez Eddin (24).
Der achtjährige Maks, der gleichfalls erblindet ist, nutzt diese Vorlage und erklärt der Gruppe ebenfalls, dass ihm die Umgebung beschrieben werden muss. Ungezwungen und ganz selbstverständlich äußern sich die Teilnehmenden in der Gruppe auf diese Weise über das eigene Sehvermögen und ihren jeweiligen Unterstützungsbedarf.

Nachdem Frau Wagenbrenner einen kurzen Überblick über den Tag gegeben hat, wird schnell deutlich, dass wir diesen heute mit allen Sinnen erfahren dürfen. Ihr Programm hat sie sehr am Bedarf der Teilnehmenden ausgerichtet.
Als erstes folgen wir der Bäuerin in den Kuhstall. Der Duft von Heu und Rindern ist intensiv, und im Stall ist es angenehm dunkel im Vergleich zum grellen Sonnenlicht draußen. Dies kommt vor allem den Kindern und Jugendlichen entgegen, die sehr blendungsempfindlich sind. Lisa (11) und Lena (9) haben sich zusammengetan und streicheln mutig die flauschigen Ohren der Kühe, die ihnen neugierig die Köpfe entgegenstrecken.
Frau Wagenbrenner zeigt uns in einer Schubkarre den Unterschied von Heu und Stroh, den man sehr gut fühlen kann, und auch die Tränke für die Kälbchen wird ausgiebig betastet und betrachtet. Für die nicht sehenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist genügend Zeit, alles in Ruhe zu begreifen und zu erfassen.           
Inzwischen haben fast alle Hunger. Bevor wir uns jedoch über die Platten und Schüsseln mit kalten Leckereien hermachen dürfen, müssen wir erst selbst unsere eigene Butter herstellen.
Kurz darauf schütteln alle um die Wette mit Sahne gefüllte Marmeladengläser. Jetzt kommt es auf gutes Hören an - wenn die Sahne nicht mehr plätschert, sondern wie ein Ball klingt, der im Glas herumspringt, dann ist die Butter fertig. Wer zu lange schüttelt, macht den Ball wieder cremig. "Das ist jetzt schon Schmand", werden wir aufgeklärt, aber auch dieser schmeckt köstlich zu frischem Brot mit Frühlingszwiebeln.
Nach der Pause besuchen wir die riesige Hühnerschar auf der großen Wiese. Einige sehen nach, ob frische Eier in den Gelegen im Hühnerwagen zu finden sind. Andere kuscheln unterdessen vor dem Zaun mit dem Federvieh. Dominic (17) ist ganz beseelt und möchte sein Huhn gar nicht mehr hergeben, Silas (13) und Anastasia (14) lassen sich begeistert mit Huhn im Arm fotografieren.
Eine besondere Erfahrung für den blinden Maks ist es, als er begreift, wie groß ein Traktor ist. Egal wie weit er sich hochstreckt, er kann das obere Ende des Hinterrades nicht erreichen. Die haptische Erfahrung von Dingen, die Sehende direkt visuell erfassen, fehlt den blinden Kindern oftmals, doch hier kann sich Maks Zeit für das ausführliche Entdecken nehmen. Als er dann auch noch bei einer Rundfahrt über den Hof dabei sein kann, ist das Highlight perfekt.         
Während Felix (18) sich über die Slackline hangelt und Anastasia und Ez Eddin sich auf der kleinen Holzbrücke ausruhen, werfen Pfadfinder Emil und Maks Ringe und spielen "Riesen-Jenga" auf der frischgemähten Waldlichtung. Unser Bulldogfahrer sammelt nach und nach alle zur Rundfahrt ein. "Wir sind 40 gefahren!" erzählt Silas später beeindruckt.
In der Abschlussrunde gibt es durchweg positive Rückmeldungen der Gruppe zum Tag auf dem Bauernhof.
Parallel zum Schülererlebnistag wurde von den Kolleginnen aus der Beratung Übergang-Schule-Beruf, Anke Spiegel-Vogelsang und Ines Körner, ein Angebot für Eltern organisiert. Auf einer Wanderung und bei der anschließenden Gesprächsrunde mit Kaffee und Kuchen tauschte man sich angeregt aus. Neben angeleiteten Teilen gab es genügend Zeit, sich den aktuell brennenden Themen der Eltern anzunehmen. Durch das initiierte Elternnetzwerk wurde für die Eltern der inklusiv beschulten Schülerinnen und Schüler eine gute Möglichkeit geschaffen, auch über solche geplanten Treffen hinaus miteinander in Kontakt zu bleiben.
Vielen Dank den an Planung und Durchführung beteiligten Kolleginnen und Kollegen sowie vor allem Emil und Frau Wagenbrenner für die Hofführung mit allen Sinnen und ihre herzliche Gastfreundschaft.
Das Schöne ist: Der nächste Erlebnistag – diesmal mit Schwerpunkt Schwimmen und Yoga –  ist bereits in Planung. Wir freuen uns schon jetzt wieder auf gute Begegnungen und den ein oder anderen Moment, in dem die Kinder und Jugendlichen sagen: „Ich kann es ja doch!“
(C.Gisa)

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